Entdecke den Löwenzahn in dir
- praxis5510
- 19. Juni 2024
- 4 Min. Lesezeit
Im letzten Beitrag ging es unter anderem um die Pusteblume. Und wie wir wissen, entsteht diese eher filigran wirkende Pusteblume aus der satten, gelben Blüte des Löwenzahns. Die Löwenzahnpflanze ist als sehr robust und widerstandsfähig bekannt. Sie kann auf den kargsten Böden überall wachsen und blühen. Aus diesem Grund ist der Löwenzahn auch irgendwie eine recht gute Metapher für Resilienz (psychische Widerstandsfähigkeit).

Früher wurde davon ausgegegangen, dass Resilienz genetisch vorgegeben sei. Mittlerweile gibt es aber zahlreiche Untersuchungen, die bestätigen, dass Resilienz einerseits natürlich schon durch Veranlagung, aber auch ganz stark von Einflüssen seitens unserer Umwelt geprägt wird.
Wozu brauchen wir Menschen eigentlich Resilienz?
Resilienz ist unglaublich wichtig dafür, um mit Schwierigkeiten, Hindernissen und auch Krisen entsprechend umgehen zu können. Und resiliente Menschen haben es tendenziell etwas einfacher, die Herausforderungen des Lebens ein bisschen leichter und vielleicht auch ein wenig schneller zu überstehen.
Wer schon in der Kindheit und Jugend mit sehr vielen negativen Erfahrungen konfrontiert wurde, kann sich definitiv schwerer tun, das Leben und seine Aufgaben zu bewältigen. Allerdings muss das nicht immer so sein. Es gibt es eine sehr spannende Studie zu diesem Thema, die uns auch zuversichtlich stimmen kann.
Die amerikanische Psychologin Emmy Werner führte auf Kauai (Hawai-Archipel) eine Langszeit-Studie mit 700 Kindern durch, von denen ungefähr 30 Prozent aufgrund schwerwiegender Risikofaktoren (Armut, Gewalt, Alkoholabhängigkeit der Bezugspersonen,...) schwierige Voraussetzungen für ihr Leben hatten.
Das Interessante kommt jetzt. Mindestens ein Drittel dieser Kinder entwickelte sich aber trotz allem sehr gut weiter und sie wurden zu selbstsicheren, kompetenten und fürsorglichen Erwachsenen mit Schulabschluss, Arbeit, guten sozialen Beziehungen und einem stabilen Leben. Wie kann das sein?
Der Unterschied zu den anderen Kindern war der, dass dieses Drittel der Kinder ein gutes Maß an protektiven Faktoren (Schutzfaktoren) hatte, die ein Gleichgewicht zu den Risikofaktoren darstellten.
Je mehr Schutzfaktoren, desto höher auch die Resilienz.
Schutzfaktoren sind zum Beispiel:
Motivation und Interessen haben
eine eher optimistische Zukunftsorientierung
angemessene Übernahme von (Eigen-)Verantwortung
die Fähigkeit Probleme zu lösen
Soziale Verbindungen eingehen und diese erleben können
Gefühl von Selbstwirksamkeit
Erkennen von Stressauslösern und angemessene Erholung
Diese "Löwenzahn-Kraft", deine Schutzfaktoren in dir, kannst du lebenslang weiterentwickeln und stärken.
Ja, das ist mal gut zu wissen, aber wie stärken wir nun unsere "Schutzfaktoren", ohne, dass es uns nicht schon wieder Stress und Druck macht?
Löwenzahn-Übung: Triff mal Entscheidungen ganz für dich alleine Das klingt im ersten Moment relativ einfach? Naja, überlege mal, wie oft du bisher deine Entscheidungen durch andere Menschen absichern wolltest. Ich kenne das auch nur zu gut. Es gibt uns eine scheinbare Bestätigung und Sicherheit, aber wir geben dadurch auch unsere Eigenverantwortung ein Stück weit ab. Wie wäre es, wenn du versuchst, kleinere Entscheidungen in der nächsten Zeit, ganz für dich alleine zu treffen. Eine Möglichkeit wäre, im Restaurant einfach mal zu bestellen, was dir als erstes ins Auge fällt. Nicht ewig überlegen (das nimmt dir auch viel Energie und löst Stress aus), nicht nachfragen bei anderen. Einfach mal entscheiden. Du kannst dich ja zur Unterstützung selbst mal fragen, was das Schlimmste wäre, das passieren könnte, wenn du dieses Gericht bestellst und nicht das andere?
Löwenzahn-Übung: Nimm dir Zeit für Pausen und Erholung Ja, ja, ich weiß, das ist sehr leicht gesagt, aber schwer getan. Ist mir selbst sehr bekannt, das Thema. Einfacher wird es, wenn wir es uns auch hier so umsetzbar wie möglich machen. Vielleicht eine 3-Minuten-Meditation vor der Arbeit oder eine kurze Atemübung zwischendurch. Oder eine Tasse Tee oder auch Kaffee ganz langsam und achtsam, ohne Ablenkung genießen und wahrnehmen. Für uns alle bedeutet Erholung ein etwas anderes - vielleicht magst du ein bisschen ausprobieren und experimentieren, was für dich am Besten funktioniert.
Löwenzahn-Übung: Hab Kontakt zu liebevollen Menschen Ein wesentlicher Faktor bei Kindern, Resilienz zu entwickeln ist, zumindest eine feinfühlige, liebevolle, sichere Bezugsperson zu haben. Das zeigt schon, wie wichtig für uns Menschen soziale Kontakte sind. Aber auch hier ist es sehr individuell. Manchen mögen es, viele Freundschaften und Bekanntschaften zu haben und andere fühlen sich mit wenigen oder vielleicht sogar nur einer Verbindung zu jemand anderen wohl. Es geht hier nicht um die Menge, sondern um die Herzensverbindung zu einem anderen Menschen.
Löwenzahn-Übung: Überprüfe deine Bedürfnisse, deine Wünsche Wir tun uns manchmal sehr schwer, die eigenen Bedürfnisse und Wünsche zu spüren, weil wir oft nicht gut unterscheiden können, ob wir das jetzt wirklich für uns möchten oder ob wir etwas tun, um jemand anderen zu gefallen, um uns anzupassen oder um die Harmonie zu wahren. Die Grenze zwischen Innen und Außen verschwimmt. Vielleicht wäre es ein Anfang und eine Möglichkeit, dich mehrmals am Tag ganz kurz mit deinem Körper zu verbinden, einen sogenannten Body-Scan zu machen. Wie fühlt sich mein Körper gerade an? Gibt es Stellen, die sich gut, neutral, verspannt, drückend, kribbelnd,...anfühlen? Und gibt es eventuell ein dadurch wahrnehmbares Bedürfnis?
Löwenzahn-Übung: Versuche einmal etwas Neues, etwas Unbekanntes Das klingt jetzt im ersten Moment eventuell einmal herausforderner als es in der Realität dann ist. Ich meine damit nur, dir die Chance zu geben, ein bisschen mehr Flexiblität und Spontaneität ins Leben zu holen. Und zwar durch ganz einfache Dinge. Einmal einen anderen Weg als gewöhnlich nach Hause gehen, ein unbekanntes Rezept ausprobieren, eine neue Sportart kennenlernen, in deiner Wohnung wild zu tanzen, etwas Kreatives tun, einem fremden Menschen einen Kaffee spendieren, im Wald laut singen,...deiner Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.
Am Ende dieser Zeilen merke ich, wie auch ich wieder inspiriert bin, bewusster auf meine Schutzfaktoren zu achten und diesen mehr Wahrnehmung und Kraft zu geben. Es ist zwar schon Juni, aber vielleicht findet sich als kleiner Reminder noch irgendwo auf einer Wiese ein Löwenzahn oder eine Pustblume...
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